dimanche 19 août 2012

Die beiden Quellen der Moral und Religion

In letzter Zeit werde ich morgens von Lärm geweckt.
Weil Sommer ist, steht das Fenster offen, und es handelt sich
Stets um denselben Lärm, er hat allerdings zwei Quellen:
Entweder Flugzeuge oder die Müllabfuhr.
Ist es die Müllabfuhr, erkenne ich es nicht sofort, sondern erst
An den quietschenden Bremsen
Den kehligen Zurufen der Müllmänner und
Dem dumpfen Aufschlag der Tonnen bei ihrer Entleerung.
Sobald er weiterfährt, klingt der Wagen wieder wie ein Flugzeug;
Ein Flugzeug bremst jedoch zuvor nicht quietschend
Seine Besatzung ruft sich nicht kehlig etwas zu
Und es schlägt auch nichts dumpf auf, oder sollte zumindest.
Allein der sich entfernende Müllwagen, ich muss das wiederholen
Unterscheidet sich nicht mehr von einem Flugzeug.

Ich bin zu dieser Uhrzeit noch nicht so richtig wach, aber
Selbst im Halbschlaf weiß ich, was weggebracht wird
Und wohin die Reise geht. Und ich
Glaube auch zu wissen, als ich erneut ein Flugzeug höre
Was das Flugzeug wegbringt
Und wohin die Reise geht.


Les deux sources de la morale et de la religion

Dernièrement, un bruit me réveille tôt le matin.
Comme c’est l’été, la fenêtre reste ouverte, et il s’agit
Toujours du même bruit, mais venant de deux sources différentes :
Soit ce sont les avions, soit c’est le ramassage des poubelles.
Le ramassage, je ne le reconnais pas tout de suite
C’est seulement par les freins qui crissent
Les appels gutturaux des éboueurs
Et le claquement sourd des containers qu’on vide qu’il se trahit.
Dès qu’il se remet en marche, le camion re-sonne comme un avion.
Or, un avion, auparavant, n’aurait pas eu les freins qui crissent
Son personnel ne se serait pas fait des appels gutturaux
Et il n’y aurait pas eu de claquement sourd, du moins il ne faudrait pas.
Seul le camion qui s’éloigne – redisons-le –
Ne se distingue plus d’un avion.

Je ne suis pas encore bien réveillé à cette heure-ci, mais
Même en demi-sommeil je sais ce qu’on enlève
Et où il va, le voyage. Et lorsque
J’entends à nouveau un avion, je pense
Pareillement savoir ce qu’il enlève
Et où il va, le voyage.

16 Août 2012

samedi 18 août 2012

Warten

Regälchen zusammengezimmert
Und an die Wand gehängt.
Jetzt wartet es darauf, vollgestellt zu werden.
Wieder ein Zeichen für die Überlegenheit
Der unbelebten über die belebte Natur.
Dinge haben keine Möglichkeit
Forderungen zu stellen, das
Warten ist ihre Stärke, es
Setzt sich immer durch; Menschen
Die nur warten, können lange warten.

Jemand setzt alles daran
Dieser Typen noch habhaft zu werden
Denn fast täglich stirbt einer in seinem Bett.
Es soll bezahlt werden, und sei es in letzter Minute
Und sei es mit dem heute gültigen Kleingeld. 
Man kann nur einverstanden sein, aber
Verwechsle das doch bitte nicht
Mit dem Wunsch nach einem Happy End.
Langsam mahlen die Mühlen nur im Märchen
Doch wer Gerechtigkeit will, dem fehlt zuerst die Zeit
Und wer sie auf seiner Seite wähnt, wird
Schon noch eines Besseren belehrt werden.
Es geht nur immer gegen das Verjähren
Im Reich des Belebten.

Ein anderer
Wartet quasi mit der Natur –
Wenigstens redet er sich das ein.
Er beobachtet ihre so unendlich langsamen Vorgänge
Und leitet daraus ab, auch unendlich langsam sein zu dürfen
Obwohl die Entwicklung, die die Dinge allesamt nehmen
Ihn vom Gegenteil überzeugen müsste. Er schaut
Den Entwicklungen aber eben bloß zu –
Und das Zuschauen bedeutet wenig –
Auch wenn er dabei sich selbst zuschaut:
Wie er nutzlos altert, nutzlos schwerer wird
Wie nutzlos die Natur ihm eine Glatze fabriziert
Und was immer geschieht, verlässt kaum seinen Kopf;
Die Haare gehen ihm jedenfalls schneller aus als die Ideen.
Wer zuwartet, denkt er sich, ist verloren
Spricht es aus sich heraus, und
Verliert sich schon wieder, so als
Seien das alles letzte Blicke auf die Welt
Durch eine über den Kopf gezogene Plastiktüte.

13. August 2012

lundi 13 août 2012

Es kreischen hier

Es kreischen hier die Möwen wie am Meer
Das Meer ist aber eine Deponie
Ist Müll. Ratten der Lüfte nennt man sie
Als ob es damit abgegolten wär.

Ich kenne welche, die den Tümmlerschwarm
Der jedes Schiff begleitet, eklig finden –
Abscheu vor Bettlern und vor Straßenkindern;
So reich das Schiff, die Brut der See so arm.

Zu tief das Meer, zu wendig die Gestalten
Für Spielchen um Zurückhaltung und Ehre
Zu alt, um sich nicht auch von Müll zu nähren
Zu zugehörig höheren Gewalten.

12. August 2012

dimanche 12 août 2012

Vorwelt, Nachwelt


Man kann hinschauen, wo man will
Und nehmen, was man will –
Eines fällt auf:

Das zentral gelegene Manhattan zum Beispiel.
Aber es ist ein Manhattan in Zeiten der Kalokagathie
Und für heutige Verhältnisse nahezu menschenleer. Wenn
Einem aus jetziger Sicht also kaum jemand begegnet
Dann ist, gelassen lustwandelnd, etwa der große, schlanke, schöne
Edwin Denby darunter, oder sein Nachbar Willem de Kooning.
Und es ist Denby und es ist de Kooning, vielleicht
In Gesellschaft von zwei, drei uns ebenfalls
Noch recht bekannten Bekannten, sonst
Passiert in diesen Straßen nicht viel.

Oder Paris, 6. Arrondissement.
Auch hübsch zentral und seinerzeit
Sozusagen eine Geisterstadt. Flanierend allein
Der von der Natur so unendlich begünstigte Samuel Beckett.
Und es ist Beckett, kein Beckettdarsteller
Oder Darsteller von Beckett
Oder sonstiger Fatzke.

Alle nun schon fast so lange wie die
Ungeheuerlichen Saurier von der für sie
Geschaffenen Erdoberfläche verschwunden
Und ein Rätsel, warum erst hinterher das Chaos begann.

Die große Überschwemmung
Brachte dann allerdings Leben in den Laden
– Jene so zentral gelegenen Örtlichkeiten:
Unerträgliche Vielfalt niedriger Daseinsformen;
Daseinskampf, diffuse Religiosität, und vor allem deren
Wahnvorstellungen zu erhörender
Machtworte aus Vorvätermund... ja, ja, eine ebenso
Grundlose Idylle.

Doch so soll es wohl sein, Ordnung muss sein.
Jenseits aller Horizonte nichts als
Reine Evidenz, Widerschein, Fabelwesen.

Und mittlerweile, blöde zurudernd
Die eigene Wenigkeit.

11. August 2012