samedi 19 octobre 2019

Ein Waggerl für unsere Zeit

Waggerl hält sich für Cervantes
Wie man liest, ein altbekanntes
Phänomen, denn zum Quijote
Il lui manque la jugeote.

18. Oktober 2019


vendredi 18 octobre 2019

El oro del Inca


i.

Prinz Eitel gibt sich frech und still
Du aber weißt schon, was er will
Er schreit herum und gibt sich leise
Du aber weißt, ihn locken Preise.

Die Katz ist kein Charakterschwein
Die Katz will sein ka Hund
Und der will keine Katz nicht sein –
Auch das hat seinen Grund.

Du schließlich werde, was du bist
Du schließlich wisse, was das ist
Du schließlich pfeif auf Lob und Preis
Und folge höherem Geheiß.

Prinz Eitel pfeift auf seinem Ast
Als ob im Himmelszelt
Und weil du keinen Vogel hast
Hast du sein Ziel verfehlt.


ii.
„Reliquae autem res, intellectibiles sint aut corporeae, sunt non divites per seipsas, immo indigent uno vero influente super eas bonitates et omnes gratias.“
                            Liber de causis, 165

Hätten es die alten Peruaner nicht so mit dem Gold gehabt
Hätte man sie wahrscheinlich in Ruhe gelassen.
Nichts besitzen, was Räuber anlocken könnte –
Das ist leicht gesagt.
Was weiß ich denn, was Räuber anlockt?
Ich frage mich, ob die alten Peruaner
All ihr Gold für besonders wertvoll gehalten haben
Sie hatten ja so viel davon.
Ihre Werte waren vielleicht gar nicht die der Räuber.
Die Welt ist unergründlich, und
Wenn wir Pech haben
Nimmt uns noch jemand unsere guten Ratschläge ab
Die wir auch für wohlfeil halten.


[Si les anciens Péruviens avaient été moins férus d’or
Il est probable qu’on leur aurait fichu la paix.
Or, ne rien posséder qui pourrait tenter des brigands
C’est vite dit.
Est-ce que je sais ce qui tente les brigands ?
Je me demande si les anciens Péruviens
Considéraient tout cet or comme particulièrement précieux
Ils en avaient tant...
Leur échelle de valeurs n’était peut-être pas celle des brigands.
Le monde est insondable
Et avec un peu de malchance
Il se pourrait bien que quelqu’un finisse par prendre nos avis
Que nous avons, nous aussi, à foison.]


16. Oktober 2019


mardi 15 octobre 2019

Vom Einhorn


i.

Hübsch vormodern mit ihren Eigenheiten
Dörren sie Pilzchen wie in alter Zeit.
Dazu gehört: Sie mögen sich nicht leiden
Im Nachbarkaff schon dörrt der böse Feind.

Wir, glatt, global, zurechtgehunzt, Ikea
Den Blick zum Bildschirm, schaufelnd Fertigfraß
Entseelenden Konsums, immer noch meha...
Wir, Spaßgesellschaft ohne rechten Spaß.

Dort hinten weiß man sich noch zu bescheiden:
Statt Pille ein Pogrom, ist dir nicht wohl.
Dann gleich zurück, Erdäpfel grob zu schneiden
Das gute Schwarzbrot, Speck und Winterkohl.

Zu vieles, Freunde, hat man überwunden;
So mancher wurde krank, statt zu gesunden.


ii.

Es gab einmal eine deutschsprachige Literatur, die man auch als Deutschsprachiger mit Genuss lesen konnte. Jetzt bekommt H. den N.-Preis. Nach einem G., einer Frau J. und einer Frau M. Ich kenne eigentlich nur die unangenehmen Seiten von Herrn G. und von den beiden Damen überhaupt keine, aber H. scheint mir schön in die Liste zu passen. Wie ich höre, hat er noch kürzlich, nachdem ein sogenannter „Sex- und Korruptionsskandal“ halbwegs verraucht war, sich verpflichtet gefühlt, eine Binsenwahrheit zum Besten zu geben, und dabei womöglich an seine eigene kernige Person gedacht: nämlich, dass ein N.-Preis für L. eine Farce sei. Jetzt ist er tatsächlich selber farciert und, laut Zeitung, sehr gerührt darüber. Die Stimme soll ihm versagt haben vor lauter freudiger Überraschung. Was doch so alles, wenn man schon nicht mehr damit rechnet, auf einen zukommen kann... es fiel ihm vielleicht Hölderlins Rettendes ein. So übel geht es auf der Welt doch nicht zu, hat er sich garantiert gedacht, man mag schreiben, was man will. Das meine ich auf meine Weise auch. Zumindest hat diese Welt, ich habe leichte Schwierigkeiten, es zu übersetzen: de la suite dans les idées. Man kann sich, Skandalnudeltum hin, Skandalnudeltum her, wunderbar auf sie verlassen.

Man weiß so einiges über das Einhorn, Unicornis communis 
________________________________________communis.
Seit Jahrhunderten ein gern gesehener Gast etwa auf
____________________________________Wandteppichen
 Findet es sich neuerdings bis hin auf ganz bildungsfernen
_____________________________________Schlafanzügen
Doch man zweifelt noch, ob es zu den Paar- oder den
_________________________________Unpaarhufern gehört
Also eher zu den Wiederkäuern oder zum Pegasus hin tendiert.
Falls Unpaarhufer, stellt sich außerdem die Frage der
______________________________________Genießbarkeit.

Einhörner sind aber auch wegen des Elfenbeins gefragt:
Ihr Horn ist ein annehmbarer Ersatz für den Elefantenstoßzahn
Dessen kommerzieller Vertrieb mittlerweile nicht mehr zulässig ist
Denn das Einhorn kommt einfach zu häufig vor, um geschützt zu
___________________________________________werden.
Nur das Seltene ist es wert, gesetzlich geregelt zu werden;
Das allgegenwärtige Einhorn springt im rechtsfreien Raum herum.

Ich halte es für unsportlich, Einhörnern vorzuwerfen
Sich auf ihre stille Art nicht mehr zurückzuhalten, oder gar
Zu vermuten, es sei nichts Edleres als Publicitysucht, was sie
_________________________________________antreibt –
So ein Einhorn fügt sich damit nur brav in seine Unmündigkeit.
Es ist bei aller falschen Scham richtig schwer zu verkraften, dass
Mythologische Haustiere kein klein bisschen vom Aussterben
_______________________________________bedroht sind.


14. Oktober 2019

lundi 7 octobre 2019

Missverständnis, existentiell

„In jedem Fall besteht dies Wahrnehmen in dem schlichten Hinblicken auf das Objekt.“
                            Husserl, Logische Untersuchungen VI, §58

Das verstehen die Werbeleute:
Es fällt sofort auf, dieses frische Gesicht
Ausgesucht glatt, rosige Backenknochen, die dunklen
Augen schmal, fast asiatisch, vom lichtgrünem Hintergrund
Magisch abgehoben und doch so eingebettet
So unwiderstehlich anziehend
Dass ich immer wieder zurückblättern muss
Und sinnlos den Blickkontakt suchen.

Das verstehen sie nicht, die Reklamefritzen:
Dass ich die geringste Ahnung hätte
Wofür geworben wird.

Das Gesichtchen bleibt im Gedächtnis
Vom Prodüktchen, keine Ahnung.

Genauso ist sie mir, die gesamte Welt:
Magnetisch angezogen
Übersehe ich die Gründe.


Malentendu existentiel

Ça, ils savent faire, les publicitaires :
On le remarque sur-le-champ, ce frais minois
Lisse à souhait, les pommettes bien roses, les yeux sombres
Étroits, presque asiatiques, devant un fond vert acide
S’en détachant, magique, et pourtant si immergé
Si irrésistiblement attirant
Que je ne cesse de feuilleter en arrière
Pour chercher un absurde contact visuel.

Ça, ils ne savent pas faire, les gars de la pub :
Que je saurais aussi
Quel produit on veut me fourguer.

Le visage me reste imprégné dans la mémoire
Mais du but de la réclame, aucune idée.

Voilà mon rapport au monde entier :
Comme magnétiquement attiré
Et aveugle aux mobiles.


6 Octobre 2019

dimanche 6 octobre 2019

Nos pisciculi in aqua nascimur

„Die Möglichkeit eines Gottesbeweises ergibt sich […] aus der Einmütigkeit, mit der die theologischen Schulen seit Jahrhunderten diese Möglichkeit als theologisch sicher vortragen.“
                            Diekamp, Katholische Dogmatik I, 1, §2

Wir werden im Wasser als Fischlein geboren
Und wachsen uns aus zu verschiedenen Kerlen
Und kriechen zu Ufern manchmal, wo die Flossen
Uns wachsen zu Füßchen, und dann gar zu Flügeln

Wogegen die, die jede Ausflucht verübeln
Stets brav weiterschwimmen im Bauch, unverdrossen
Nur Luftbläschen spuckend, und ihr Urteil fällen
Dass wir unsre Unschuld gen Himmel verloren.

Ja, Unschuld von Ehemaligen
Als ob es von Belang wäre
Was der Bibelgürtler über das Flüchtlingspack denkt.
Fällt das ins Ursprungsmilieu zurück
Kann es nicht mehr gerettet werden, zu
Verändert schon, es erstickt jetzt.

Kiemen muss haben die Unschuld, sie muss
Sein gemütlich, Mitschwimmertum, nicht dessen Gegenteil
Was auch immer behaupten mag ein Tertullian
Dieser negative Kopf, der es dennoch nicht zum Kirchenvater
__________________________________________schaffte.
Immerhin das.
Nochmal Glück gehabt, Engelchen.

5. Oktober 2019




vendredi 4 octobre 2019

Urvögel

Bekanntlich sind Vögel nichts anderes als Flugsaurier, die klug genug waren um zu überleben. Die schlauen Kerlchen schauen einen ja auch dementsprechend an. Es liegt eine vorsichtige, berechnende Kälte in Vogelaugen. Mich stört das nicht, ich verstehe es, mir sind diese Überlebenskünstler trotzdem sympathisch. Warum sollen einem Flugsaurier nicht sympathisch sein? Ich hätte womöglich sogar einen Tyrannosaurus sympathisch finden können, wenn der nicht so dumm gewesen wäre, schon vor mir auszusterben. Bisschen groß vielleicht, aber sympathisch. Kreatur muss keinen Dackelblick haben, um mein Herz zu erweichen. Dieses Herz haben schon ganz andere erweicht: Langwimprige mit Kulleraugen, weichem Fell auf dem Schädel, zarten Gliedern, Pfirsichhaut und melodiösem Timbre, Schönheiten, ja, aber innerlich keineswegs so zartfühlend wie seinerzeit eventuell der Tyrannosaurus, von dem wir nur wissen, dass er ein etwas kräftiges Gebiss hatte und eine recht tolpatschige, ruppige Gangart, wofür er aber auch nichts konnte, und ansonsten einfach nicht gerissen genug war, was sich dann übel rächte. Ein Kinderschreck wie so mancher bärbeißige Onkel, obschon im Grunde eine kreuzbrave Seele. Freilich sollten wir mittlerweile erwachsen geworden sein und unsere Voreingenommenheit überwunden haben. Sind wir erst einmal vom Schicksal bestraft, können auch wir uns nicht mehr verteidigen, wenn man dann nach den Knochen beurteilt.

i.

Noch gibts uns kaum und scheinen wir schon fast
Zu Ende, als Gelegenheit erschöpft, verpasst
Wo es vorher Äonen brauchte, bis ein Tier verschwindet.
Wer eines Tags Menschenfossilien findet
Wird sagen: Zwar nicht ganz zum Opteryx gelungen
Doch immerhin mit Schädeln schön geschwungen.

Noch gibts mich kaum und scheine dennoch fast
Erschöpft, ein Stimmlein unerhört verklungen
Weil Zwitscherei allein kein Dasein je begründet
Und bloßes Rumgeflatter in Vergessen mündet.
So fühl ich mich schon selbst in Stein gezwungen:
Höchstens bewahrter früher Himmelsgast.


ii.

Kann nicht mal fliegen und zu Fuß muss gehen:
Dem Tod entgegen Welt zu übersehen und verstehen –
Es mögen spätre sich damit befassen.

Kann nicht mehr richtig gehen, nur noch fliegen
Um sei’s nur einen Fuß auf den Boden zu kriegen
Von allen guten Geistern längst verlassen.

Sich festen Trittes in die Lüfte zu erheben
Scheint letztlich einzig Grobmotorikern gegeben.
Wer Hosianna pfeift, hat sich drauf eingelassen.


[Chacun sait que les oiseaux ne sont rien d’autre que des sauriens qui ont été assez intelligents pour survivre au cataclysme. Cela se voit déjà à la façon dont ces petits malins nous contemplent. Il y a une froideur prudente, calculatrice, dans l’œil des oiseaux. Cela ne me dérange pas, je le comprends, ils me sont tout de même sympathiques, ces spécialistes de la démerde. Pourquoi ne devrait-on pas ressentir de la sympathie pour des sauriens ? J’aurais même pu avoir de la sympathie pour un tyrannosaure, si ce dernier n’avait pas eu l’idée stupide de disparaître avant moi. Un peu grand peut-être, mais sympathique. La créature n’est pas obligée d’avoir un regard de chien fidèle pour toucher mon cœur. Ce cœur, il y en a déjà eu d’autres qui l’ont touché : des avec des longs cils obombrant leur claires mirettes, avec de la fourrure toute soyeuse sur le crâne, des membres fins, une peau de pêche, un timbre mélodieux, des vénustés, ça oui, et pourtant pas aussi empathiques comme éventuellement, dans son temps, le tyrannosaure, géant dont nous savons juste qu’il avait une dentition conséquente et une démarche maladroite et rude – ce qui n’était pas sa faute – et, sinon, manquait seulement de débrouillardise, défaut qu’il a payé cher. Une terreur des enfants comme tel oncle grognon qui, au fond, possède une âme d’or. Mais nous devrions enfin nous comporter en adultes et dépasser nos partis pris. Une fois que le destin nous aura punis, nous aussi, nous ne pourrons plus nous défendre lorsqu’on jugera d’après les os.]


3. Oktober 2019