samedi 29 novembre 2014

Abwrackprämien

Jede Witterung, zu jeder Tages- oder Jahreszeit, schafft eine eigene Atmosphäre, und wer lebt, kann sich dem eigentlich nicht entziehen, denn entzieht er sich, lebt er nicht so recht.
Jede Generation hat ihre fixen Ideen, die ihr das ganze Leben über bleiben, als ob jenseits der Wetterlagen stets ein bestimmtes Klima herrschte, man also auch durch den Zeitpunkt in eine Klimazone hineingeboren sei, wobei andauerndes Nieseln, ständiger Nebel oder ewig stahlblauer Himmel nicht gegeneinander aufzurechnen sind: Es gibt kein schönes oder schlechtes Wetter, nur Empfindungen, Töne, quasi Gesichte, die im Einklang stehen, stehen müssen.
Über die Generationen hinweg zu kommunizieren, lässt Wetterumschwung erfahren, und es ist natürlich nicht ganz einfach, mit jemandem überein zu kommen, wenn der sich tatsächlich unter anderen klimatischen Verhältnissen, in einer anderen Tages- oder Jahreszeit bewegt. Gemeinsam einzuhalten, wenn vor einem plötzlich ein morscher Knorren sein Wächtergesicht aus der Dämmerung reckt, erfordert keine großen Worte.

i.

Wir brausten damals im Cabrio
Doch alles verging wie der Wind;
Nur breche nicht den Stab, mio
Dolore, wir sind, wie wir sind!

Das Cabrio ist längst verkauft
Es soff auch zu viel Benzin.
Wer weiß, ob es noch heute sauft
Bloß: unsere Zeit ist dahin.

Dahin, vergangen, alles fort
Was wir uns im Fahrtwind geschworen.
Man hörte ja nicht mal sein eigenes Wort...
So ist denn nicht viel verloren.


ii.

Nichts schien uns unwichtiger
Als das Private
Nichts schien uns unrichtiger
Als Reservate

Allerdings lebten auch wir
Nur aus der Nähe:
Fernweh ersetzte kein „Hier
Stirb und erstehe!“

Wünsche verhülltem dem Blick
In jenem Alter
Die harte Regel des Hic
Rhodus, hic salta.

Nicht etwa lernten wir dann
Uns zu begnügen
Doch, dass sich Wo, Wie und Wann
Zusammenfügen.


iii.

Es lebten dort tüchtige Leute
Mit ziemlich verschlafenen Kindern
Doch in demselben Heute
Denselben trüben Wintern.

Auch den Kindern gelang es nicht
Mit ihrem Faulpelzwitzeln
Und vorlauten Vätergericht
Die Sonne hervorzukitzeln.

Es lag wohl an der Jahreszeit
Und der ererbten Öde.
Nicht einmal mangelnde Tüchtigkeit
Macht einen weniger blöde.


iv.

Man sieht es mir wohl an: Ich sah von Nahem
Was andre höchstens aus der Ferne sahen
Und sah, was wieder andre sahen, nicht –
Das sehe ich am anderen Gesicht.

Brav teilen wir uns Zeit und Raum und wähnen
Vor uns und hinter uns den Abgrund gähnen
Den wir mit andern Augen anders sähen;
Mehr gibt man sich nur selten zu verstehen.


v.

Da hat sich wer jahrzehntelang
An Leichtigkeiten geübt:
Schwereres gab ihm seinen Rang
Als sich sein Auge getrübt.

Was leicht ist und was schwer ist? Nun
Der Tod ist leicht und schwer;
Doch willst du Rosen, musst du tun
Als ob es das Leben wär.

Und tat er fast ein Leben lang
An Flaum und Schaum sich messen:
Gerettet hat sein Schwanengesang
Ihn aber vor dem Vergessen.


28. November 2014

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