[Was ich behalten habe, ist: Nacktsamer sind unter den Pflanzen eher besondere und unter den Tieren eher gewöhnliche. Das bedeckte Besamen ist, was uns Menschen angeht, der Sonderfall, zuweilen sogar strafbewehrt, meistens aber bloß ein Unfall. Die bunten Blumen hingegen, die – blütenreich – bedeckt besamen, haben es einfach weiter gebracht. Bedarf es noch einer Erklärung, warum die Menschenmännchen leider keine sind, und auch die Menschenweibchen nur so tun als ob?]
i.
Zwei junge Herzchen, die sich ungestüm belecken
Sind hübscher anzuschaun als geile Sabbergreise
Wo Schwung und Speichelfluss die Nachwelt nur erschrecken.
Was anfangs wahr war, muss nicht bis zum Sterben gelten;
Zwischen Weit weg und Nah dran liegen ganze Welten
Und es braucht wirklich keine weiteren Beweise
Warum sich bei der Liebe Schicksale verstecken.
ii.
Ich kalkuliere in der Kammer Sein und Sollen
Und schiebe lange Zahlenreihen hin und her
Doch plötzlich steigt aus jenem stillen Ziffernmeer
Eine Gestalt und macht das Rechnen mir zuschanden.
Der Schönheit Rohheit reicht, um heftig anzubranden:
Als wär der Hochsee Gleichmut eine Lügenmär
Wenn Wellen nicht mehr rhythmisch sanft im Sand verrollen.
iii.
Es hat der Gott den Menschen Liebe eingehaucht
Damit sie sich zwangsläufig auch um andre sorgen
Indes wird solche Liebe manchmal allgemein
Dabei mag einzig die spezielle nützlich sein –
Es bleibt der allzu vielfach Liebende allein.
Hör ich dann durch die Wand, wie manche sichs besorgen
Wird mir schon klar, warum es doch mehr Liebe braucht.
iv.
Beim Menschen weiß man, wie ihm nützlich ist Magie;
Bei Tieren auch lässt sich auf Hexereien schließen.
Von schönen Blumen andrerseits ist nichts bewiesen
Wenn sie zu wahren Blumenparadiesen sprießen.
Was soll man denn von einem Zaubergarten
Aus tausend Halluzinationen schon erwarten?
Bis hin zum Aberglauben schaffen sie es nie.
v.
Das Glauben stand seit je mit Wissen in Verbindung
Und wahres Wissen war noch nie hundertprozentig
Doch hinterlässt es unverwechselbare Spuren.
Wir glaubten nichts und wussten nur, dass sie uns ständig
Absprachen, was wir scharf am eignen Leib erfuhren;
Und hielten die Absprechenden uns auch lebendig
Blieb ihr Irrglaube dennoch Folter und Erfindung.
vi.
Als man sich durchrang zum Aufklärungsunterricht
Mocht niemand auf das Beispiel der Natur verzichten:
Von Flora handelten die wildesten Geschichten.
Das war einmal.
Inzwischen fehlt die Phantasie
Das Aufklärungsgeschäft wie Bienchen zu verrichten –
Es wiegt der Jugendtraum Bildschirmpornographie
Sein eigenes unabwägbares Leichtgewicht.
vii.
Ich wachte auf, beflaggt, behisst, mit vollem Mast
Und dachte endlich mal was Rechtes und was Klares.
Solang ein stolz geschwelltes Körperschiff der Star ist
Ist alles drin, sogar die Fahrt auf Abenteuer.
Das Volk schwang Hüte, Mützen, Kappen ungeheuer
Und ich lief aus, am Steuer meiner Stella Maris
Das Ziel: Die Neue Welt. Mindestens. Oder fast.
viii.
Darwin hat es von stark und schwach und alles scheint
Gesagt, doch denke an die altersschwächsten Sterne
Die oben flimmern, und – obschon kaum sichtbar – sind
Womöglich tausendfache Sonnen und nur ferne.
Und zittern sie wie Espenlaub im dunklen Wind
Gibt es sogar im Diesseits einen Himmel, Kind
Der Schwach- und Starksein ungerührten Sinns verneint.
ix.
Früh übernimmt sich, was ein Pärchen werden will –
Ein Spruch so hingesagt, und Unsinn sowieso;
Kochen und heizen sich, sind aneinander froh
Und gehn danach auf das gemeinschaftliche Klo
Und ziehn vielleicht noch nicht einmal getrennt die Spülung
Und stehen trotzdem mit dem fremden Tod in Fühlung
Und stehen, sich umkreisend, still und doch nicht still.
x.
Gehört Bewegungsdrang zur Sphäre der Physik
Ist Fortschritt ein Gebiet jenseits der Wissenschaften:
Reine Kinetik oder doch Streben nach Glück?
Kommt darauf an, Rollen und Drehen ist auch Haften.
Wer weiß schon, ob er vordringt oder bloß umrundet
Und wer, wann ihm die Zeit gehört, die ihm gestundet?
Nur eines bleibt versichert: Es gibt kein Zurück!
1. März 2019
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