vendredi 15 février 2019

Two Kitsches


1. Paris Kitsch

Da lese ich mal wieder in der Muttersprache von meinem Umfeld und es kommt auch beim „Weltoffenen“ unverzüglich die „Pariserin“ und „das“ Baguette vor, immer noch, und dann am Ende womöglich noch der beliebte Lyriker, der vom Pont Mirabeau springt, denn schließlich fließt drunter die Seine et la joie vient toujours après la peine.
Ich muss blind sein, doch Leute, die offen sichtbar mit ihrem Brot bewaffnet herumlaufen (port ostentatoire, gesetzl. geregelt), sehe ich recht selten, meist steckt das lange Trumm irgendwo mehr oder weniger gut verborgen – ich überraschte nur einmal einen mit seiner Krücke unterm Arm davoneilenden Piccoli – bei „Pariserinnen“ kann man sich nie sicher sein, ob sie nicht eher aus dem idyllischen Trifouilly-les-Oies stammen, und sehr, sehr viel häufiger wählt selbst der lebensmüde Intellektuelle den Sprung vor die Metro (ärgerlich, gibt Verzögerung) oder auch einmal den Kleintransporter einer Wäscherei. Kleintransporter und Wäscherei, falls man das Schmutzige an der Unterwelt scheut. Freitod via Brücke ist wirklich selten, das Seinewasser ist schlicht nicht einladend genug, aber vielleicht gelingt es eines Tages ja, es zumindest so attraktiv wie die bumsvolle Suppe in der sel. Piscine Deligny zu machen. Warum nur ist kein Ende beim Pariskitsch abzusehen?
Die örtliche Bevölkerung hat in null Komma nichts das Gauloises-Rauchen aufgegeben, bewegt sich immer weniger in verbeulten Gebrauchtwagen fort, und ist, Femino-Stalinismus sei Dank, mittlerweile auch dabei, das Dragieren und Dragiertwerden zu verlernen; man versteht darunter eine bestimmte Art der Kontaktaufnahme, die Deutsche zwar aus Filmen kennen, wofür es in ihrer Sprache aber meines Wissens keinen passenden Ausdruck gibt. Ich befürchte allerdings, der Pariskitsch wird selbst das noch überleben. Dabei gibt es tausend triftige Gründe, hier trotz allem euphorisch herumzuturnen.

French law, as far as I’m au fait
With it, bans concealed carrying
Of bread, their world-renowned bagay
Has to be toted openly
    In public space, a sound position
    Given the role of posh nutrition.

Paris is peaceful, though it may
Resolve to take out Fairy Queen
But then in its own stylish way:
See it, race through it and thus die.
    (A plot spot à la Morrison
    Rewards upmarket tourism.)


2. Berlin Kitsch

Es wachsen dort begabte Leute heran, zuweilen hochbegabte, namentlich auch unter den Wortingenieuren, die mit ihrer Begabung dann offenbar kaum etwas anfangen können, es ist ein Drama der Verschwendung in einem so der Verschwendung abholden Land. Die Produkte, die sie herstellen, sind ausgezeichnet, häufig geradezu genialer Konzeption, voller großartiger Details, haben allerdings nur einen ganz beschränkten Gebrauchswert, und jenseits der Landesgrenzen fast gar keinen mehr. Weil sie dem Exportweltmeisterland entstammen? Es sieht danach aus. Das Land befruchtet sie, aber wie soll jemand, der sich von so einem befruchten lassen muss, etwas zu sagen haben außer: Wovon ich mich nun einmal leider befruchten lassen muss, das gefällt mir letztlich nicht, denn ich bin, als Frau ohnehin, doch auch als Mann, vom Temperament her zu nahe bei meinen Kompatriotinnen, wir passen einfach zu gut zueinander, und deshalb haben wir kein anderes Thema als unser unglückliches Selbst, erfasst in seiner Erdrücktheit unter der Masse von zu regem literarischen Leben erweckten Trostlosigkeiten, oft den perfekten Resultaten örtlicher Ingenieurskunst. Auch außerhalb des Exportweltmeisterlandes zerbrechen ständig Beziehungen, aber der Exportweltmeister an reflektierter grundlos kaputter Beziehung ist und bleibt der Exportweltmeister, nur lässt sich das, im Gegensatz zu Maschinen, zu unser aller Glück kaum exportieren.

This fine place brims with commonplace
Like everyday domestic fight;
They seem to have no graver issues there.

To appreciate the local Bear
One has to fly in over night
And relish the unblonding of a master race.


February 15, 2019

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