dimanche 13 janvier 2019

Postkartenmalerei und Naturbild


1. Postkartenmalerei

Ich stoße in einem deutschen Gedicht auf eine „Altbauwohnung“ und weiß natürlich sofort, was damit gemeint ist, aber gleichzeitig fällt mir auf, dass dieser Begriff in meinem eigenen Denken nicht vorkommt. Ebenfalls fällt mir auf, mit welcher Bereitwilligkeit er im Deutschen benutzt wird, man mag es sogar von ausländischen Altbauwohnungen haben, und dabei gibt es die nur da, wo mal ein Hitler am Ruder war. In meiner Welt sucht man vergebens danach, denn die Städte wurden in Jahrhunderten gebaut und wenn, dann wäre eine Neubauwohnung erwähnenswert. Es gibt dort womöglich die Maklerformel der tomettes et poutres apparentes – zutreffend für das gehobene Domizil, das sich durch die Anwesenheit von sechseckigen Terrakottafliesen und sichtbaren Holzbalken auszeichnet – es gibt dort die Qualität des Hausmännischen und andererseits die Minderwertigkeit der „Türme“, in denen man sämtliche Nachbarn die Klospülung ziehen hört, nur einen „Altbau“ gibt es dort nicht. Wo nicht weggekracht, ist Stuck an der Decke selbst im ehemaligen Proletarierviertel vom Einheimischen unbemerkte Normalität. Dass einem deutschen Lyriker als Reimwort die Altbauwohnung einfällt, beweist einmal mehr, wie eng die nationalen Horizonte sind, und wie gewagt alle Versuche doch sein müssen, sich jenseits davon Gehör zu verschaffen.

Es leben dort also Menschen im Altbau
Mit Altbaubewohnererfahrungen, von den landes=
Typischen Altbau-, also Partnerschaftsproblemen geplagt

Namentlich im Urlaub
Denn sie reißen ja ständig von
Ihren geordneten Verhältnissen aus

Insofern ohne die Sorge, womit das Instandsetzen zu bezahlen
Selbst nach der reformierten Sozialgesetzgebung, weil
Es immer noch die geeigneten Lehrstühle gibt.

Derart altbaubewusste Leute sind
In der Tat eine künstlerische Katastrophe
Sehen wir uns die Sache sozusagen geschichtlich an.


2. Naturbild

Wenn die Natur nicht mehr mitmachen will
Dann hilft auch georgesches Raunen nicht mehr
Es wirken nicht Worte, es wirkt kein Gewehr
Denn alles, was einfach war, ward einfach schwer
Wenn die Natur nicht mehr mitmachen will.

Wenn die Natur nicht mehr mitmachen will
Dann fruchtet kein Fluch und es frommt auch kein Segen:
Kannst Bäume umarmen, auf Wiesen dich legen –
Begattungsversuche sind wie saurer Regen
Wenn die Natur nicht mehr mitmachen will.

Wenn die Natur nicht mehr mitmachen will
Dann bleibt nur als Lösung, auf sie zu verzichten.
Schließ ein dich im Türmchen, doch glaube mitnichten
Schon durch dein Verzichten etwas auszurichten
Wenn die Natur nicht mehr mitmachen will.

Wenn die Natur nicht mehr mitmachen will
Magst lieb zu dir selbst sein, und mit etwas Übung
Und einem gewissen Maß an Sinnestrübung
Steht wie eine andere Welt zur Verfügung
Wenn die Natur nicht mehr mitmachen will.


13. Januar 2019

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