jeudi 28 mars 2019

Urzeit, Uhr


1. Bloßgestellt

Was wir auch tun, meine ich
Wir tun es an der Oberfläche und in die Tiefe
Wir pflügen quasi.

Manche lieben das Pflügen, antwortest du
Tief pflügen, so richtig umpflügen
Den anderen Menschen, dem
An seine Braunkohle gehn
Mit dem Riesengerät, schrecklich
Im Tage- und Nächtebau, nachts unter Flutlicht
Und bei jedem Wetter
Man hält es auf die Dauer nicht aus.

Ich dachte es gedanklich, erwidere ich
Obwohl ich zugeben muss
Dass mich dein Missverständnis einigermaßen erregt
Ungeachtet des doch sehr rüden Hinweises
Auf die Braunkohle
Falls nicht gerade deshalb
Bei Gedanken weiß man eben nie.
Wenn uns jedenfalls etwas einfällt, dann
Fällt es uns auch an der Oberfläche und in der Tiefe ein.
Den Beweis dafür hast du soeben ja erbracht.

Was für eine Albernheit, entgegnest du
Glaubst du vielleicht, ich hätte nicht gewusst
Worauf du hinauswolltest?
Du bist aber nicht der einzige hier
Mit ganz oberflächlicher Tiefschürfigkeit
Oder tiefschürfiger Oberflächlichkeit meinetwegen.
Auch der Schwächsten Gedanken sind stärker als noch
Der gigantischste Schaufelradbagger
Und empfindsamer sowieso.
Nenne das Idealismus, wenn du willst.




2. Kurz bevor die alte Wanduhr den Geist aufgab

Ich zieh die Uhr auf. Weiß ich denn, wie oft
Noch? Tickt dann jeweils eine knappe Woche;
Frag bloß nicht, was sie sich davon erhofft
Und frag vor allem nicht, worauf ich hoffe.

Ein Klump, das man nicht aufzieht, öde Welt
Bleibt stehn, es ist sein Recht, doch wer nicht stehend
Aufhört, sondern in sich zusammenfällt
Der tut dies wenigstens – zum Ausgleich – sehend.

Wenn du mich ansiehst, lebhaftigsten Blicks
Und drüben in der Küche tickt die Uhr
Weil aufgezogen, tickend ihres Ticks
Und ihre Zeiger drehen sich immer nur

Dann dass ich, Aug in Aug, erschüttert, weiß:
Wir müssen weiter, dürfen nicht im Kreis.


28. März 2019

lundi 25 mars 2019

Wiederholungstäter


1. On Downy Flakes

Downy flakes – ein ganz normales Englisch, in ganz normalem Deutsch flaumige Flocken oder etwas in dieser Richtung – downy flakes also werden, von einem Eigendichter bombastisch übersetzt – oder vielmehr „übertragen“ – zu Flocken, erdwärts, was nahelegt, dass downy als downward verstanden wurde, obschon dieses Adjektiv zwar ohne Zweifel auf ein sanftes Fallen hindeutet, nicht aber auf Fallen schlechthin. Es gibt hier kein Wortspiel zu erfinden, und wer es tut, hört zu sehr in sich hinein, und vielleicht nichts als das, ob nun ein Notfall vorliegt oder nicht. Wenn man als Eigendichter  so in sich hineinhören muss, übersetzt – oder vielmehr „überträgt“ – man auch besser sich selbst, aber nicht diejenigen, die schon von sich aus genug zu sagen haben. Beim Verhältnis zu denjenigen, die schon von sich aus genug zu sagen haben, ist nur der kleinste gemeinsame Nenner möglich.

Als ich mich, viel zu früh, niedergelassen
Im Lebensraum der dunklern Unterklassen
Weil, Flaumbart, ich es selbst so wollte
Von allen guten Geistern stolz verlassen

Tat ich, was denn getan sein sollte.
Das Leben rollte weiter und es rollte
Mir aus den Augen, aus dem Sinn;
Es half indes der Zug zum Trunkenbolte.

Wurde ich glücklich, wo ich bin?
Die Tage fließen wie zum Glück dahin
Und eingelebt hab ich mich schon
In meinem Orplid nimmergrün.

Oh, holde Gabe Migration:
Gelübde sind ihr eigner Lohn
Bin ich dem Schlimmsten doch entflohn
Bin ich dem Schlimmsten doch entflohn.


2. Vom Zeitpunkt

Das Tier hat seinen Zeitpunkt, dann erscheint
Ein andres, gleiches, das am selben Ort
Das Gleiche tut. Der Mensch wechselt hingegen
Über die Zeiten Ansichten und Kleidung.

Es scheint, als wäre dies nur zur Vermeidung
Ewiger Wiederkehr, ihm ist daran gelegen
Speziell zu sein, quasi ein Ehrenwort
Das mit ihm steht und fällt. Nun, wenn er meint.

Dazu versaut im Gegensatz zum Tier
Er auch die Landschaft, so wie vorher sieht
Sie nicht mehr aus, hat er darin gewütet.
Ja, deshalb glaubt er, einmalig zu sein.

Mich stört es nicht, wenn auf dem kahlen Stein
Die Eidechse, die in der Sonne brütet
Nicht weiß, ob sie ihr eigner Ahn – sie flieht
Vor jedem Schatten doch genau wie wir.


24. März 2019

samedi 23 mars 2019

Lendemains de fête

Désormais, on trouve l’expression « qualité de vie » dans leur vocabulaire. Non plus la vie, la qualité de vie, ma belle, ce qui laisse supposer qu’une vie sans qualité, inqualifiable, serait envisageable, c’est-à-dire une vie telle que la non-vie lui serait encore préférable. C’est nouveau, ça. 
Avant, la qualité de vie, mais sans blague : elle était pour des gens de qualité, des imbéciles autrement dit, de pauvres cons de hauts fonctionnaires, par exemple, poètes à leurs heures, roulant en décapotable. Et maintenant, ce serait peut-être nous, sans grande poésie ni belle caisse, aux anges tant qu’il n’y a pas encore le déambulateur du peuple à nous attendre devant la porte ? On est tombé plus bas que bas. Ils disent vouloir aider, ces généreux, et nous, on n’a qu’une envie : qu’ils se cassent la gueule sur leur Corniche, dans leurs rutilants symboles d’intelligence, de souci pour les autres et de qualité de vie.

1.

Que je rêve d’insectes ou de biches –
Dorénavant, l’effet est identique :
Tiré de ma forêt de rais et d’ombres
Au revoir, gentils réveils à la trique ;
L’heure est à la raison, et je m’en fiche.

Belle aux grands yeux, s’attardant sous les hêtres
Ou prurit dans le tronc, grouillant, noirâtre :
Tout vit dans un domaine de décombres.
L’ère du bien, raisonnante marâtre
M’a bien dressé, il faut le reconnaître.

Onglon discret, mâchoire xylophage –
Plus rien que susurrement de bestiole :
Nuits aux bruits noirs, suivies de journées sombres.
Rêver est un royaume qui s’étiole
Et l’aube le début du recentrage.


2.

Ça gratte encore, deux-trois fois par an
Puis gratte, bougre, là où vous pensez
M’embête en devenant rouge foncé
Et une fois que ça a commencé
Finit par suinter, mais plus comme avant.
C’est bien là où j’en suis, quoi. C’est marrant.

Imaginons un homme plein d’envies
Et tout ce qui, cet être en sève, en somme
Lui fait rappeler sa condition d’homme
C’est que ça gratte et qu’il lui faut un baume.
Que ferait-il, cet homme plein de vie ?
Heureusement que moi, je ne le suis.


20 Mars 2017

dimanche 17 mars 2019

One Global Honey Bee Disaster

The worst-laid schemes work out and yet
There is some reason to regret
More canny stratagems might fail.

You ought to fly as bee swarm flies
Touch down and rub your hairy thighs
Where love is never done

But don’t forget: it burns with lust.
Those knees bestrewn with yellow dust
Flit over to another one.

The world has always been too smart
To not make choices by the heart
And pillage flowers in detail.

March 16, 2019

vendredi 15 mars 2019

Die Glaubensschlacht bei Jerusalem


Ich kannte einen frommen König, Waldemar
Der zog ins Heilge Land mit seinem Tross
Und weil dort unten gar so vieles anders war
Fiel er kurz vor Jerusalem vom Ross

Vom hohen Ross in Wüstendreck, Waldemar mein
Als wär er so weit weg kein König mehr.
Er lästerte: Und dieses Land soll heilig sein?
Dann half aufs Ross zurück ihm irgendwer.

Hoch oben auf der Burgterrasse Saladin
Dem nichts entging – gab es im Morgenland
Denn schon das Fernglas? – sprach zu seinem Paladin:
Schau da mal durch. Ist dir der Herr bekannt?

Des edlen Mohren Antwort ging, oh Waldemar:
Noch nie gesehn, die Rüstung funkelt schön.
Man kann dem ja vielleicht mit einer Reiterschar
Einen Schritt oder zwei entgegen gehn.

Entgegengehn ist klug, sinnierte Saladin;
Allein, ist es bei Gott der Mühe wert?
So wandte er sich erneut zu seinem Paladin:
Indes gemach, der fällt ja sonst vom Pferd!

Und fällt er uns vom Pferd und in den Wüstendreck
Dann ist – ei, wer wohl wieder mal dran schuld?
Wir aber wünschen Ruhe in unserm Teufelseck
Denn mehr zu wollen ist schiere Ungeduld.

Ein Kreuzzug ist und bleibt per se unangenehm:
Es traf zwar Orient auf Okzident
Kurz vor (oder vielmehr nah bei) Jerusalem
Doch jeder ruhend in seinem Element.

Glücklich kam er zurück, der König, von Gefahr
Und Kreuzfahrt – unbesiegt, in sich verwurzelt.
Gut, falls man, wenn es nottut, Bruder Waldemar
Vom hohen Rosse in die Gosse purzelt.

14. März 2019

lundi 11 mars 2019

Après lecture d’Avicenne

On s’est dit : Tiens, on va descendre dans la rue
Manifester pour le bien de la vérité
Car elle n’est pas suffisamment défendue
Si l’on reste en chaussons chez soi, voire alité
    Avec, dans les mains, le vilain canard du cru
    Ou devant sa télé, se tapant le Jité.

On est donc descendus dans la rue pour défendre
La simple vérité, qu’on connaissait de nom.
On l’a crié, son nom, scandé jusqu’à l’esclandre
Et puis après, on est remonté, c’était bon.
    C’était parfait puisqu’on a bien dû nous entendre
    Et qu’on était même dans le Jité, dis donc.

Matière et mouvement font un, disent certains ;
Mais aussi qu’il nous faut toujours une raison
Pour se bouger le cul, tel impetus divin
Qui nous fait faire pile ce que nous faisons.
    Normal alors qu’en vrais faux maîtres du destin
    On tape un peu du pied, puis rentre à la maison.

10 Mars 2019

mercredi 6 mars 2019

On an Early Oath

            [/v/vv/    /vv/v/    &    /v/vv/v    /v/vv/v/]

Through the last 40 years my solace has become
That I haven’t found home just anyplace I’ve lived;
Curing harms reasonless, wounds that refused to bleed
All have grown flowers since, roses of memory.
    Was I unsatisfied once? Could not blame anyone but me.

Forward, sociable youth: I was no different then.
We would take to the streets, letting as banners float
Greasy strand, smoky wisp, comrade Asclepiad
Handing out bantam tracts glowing with no demand –
    Life was not much and still was more than we had the right to
___________________________________________expect.

Come hermitical age: Who should be different, then?
Licking wounds seasonless, harms that ungainly scarred
Cig reek and hoary filth, comrade Asclepiad
Having lost umpteen teeth, mumbling with no command:
    Are we unsatisfied now? Less than life had the time to enact.
 
March 4, 2019

mardi 5 mars 2019

Schulstunde

[Was ich behalten habe, ist: Nacktsamer sind unter den Pflanzen eher besondere und unter den Tieren eher gewöhnliche. Das bedeckte Besamen ist, was uns Menschen angeht, der Sonderfall, zuweilen sogar strafbewehrt, meistens aber bloß ein Unfall. Die bunten Blumen hingegen, die – blütenreich – bedeckt besamen, haben es einfach weiter gebracht. Bedarf es noch einer Erklärung, warum die Menschenmännchen leider keine sind, und auch die Menschenweibchen nur so tun als ob?]

i.

Zwei junge Herzchen, die sich ungestüm belecken
Sind hübscher anzuschaun als geile Sabbergreise
Wo Schwung und Speichelfluss die Nachwelt nur erschrecken.

Was anfangs wahr war, muss nicht bis zum Sterben gelten;
Zwischen Weit weg und Nah dran liegen ganze Welten
Und es braucht wirklich keine weiteren Beweise
Warum sich bei der Liebe Schicksale verstecken.


ii.

Ich kalkuliere in der Kammer Sein und Sollen
Und schiebe lange Zahlenreihen hin und her
Doch plötzlich steigt aus jenem stillen Ziffernmeer
Eine Gestalt und macht das Rechnen mir zuschanden.

Der Schönheit Rohheit reicht, um heftig anzubranden:
Als wär der Hochsee Gleichmut eine Lügenmär
Wenn Wellen nicht mehr rhythmisch sanft im Sand verrollen.


iii.

Es hat der Gott den Menschen Liebe eingehaucht
Damit sie sich zwangsläufig auch um andre sorgen
Indes wird solche Liebe manchmal allgemein
Dabei mag einzig die spezielle nützlich sein –
Es bleibt der allzu vielfach Liebende allein.

Hör ich dann durch die Wand, wie manche sichs besorgen
Wird mir schon klar, warum es doch mehr Liebe braucht.


iv.

Beim Menschen weiß man, wie ihm nützlich ist Magie;
Bei Tieren auch lässt sich auf Hexereien schließen.
Von schönen Blumen andrerseits ist nichts bewiesen
Wenn sie zu wahren Blumenparadiesen sprießen.

Was soll man denn von einem Zaubergarten
Aus tausend Halluzinationen schon erwarten?
Bis hin zum Aberglauben schaffen sie es nie.


v.

Das Glauben stand seit je mit Wissen in Verbindung
Und wahres Wissen war noch nie hundertprozentig
Doch hinterlässt es unverwechselbare Spuren.

Wir glaubten nichts und wussten nur, dass sie uns ständig
Absprachen, was wir scharf am eignen Leib erfuhren;
Und hielten die Absprechenden uns auch lebendig
Blieb ihr Irrglaube dennoch Folter und Erfindung.


vi.


Als man sich durchrang zum Aufklärungsunterricht
Mocht niemand auf das Beispiel der Natur verzichten:
Von Flora handelten die wildesten Geschichten.
Das war einmal.

                                     Inzwischen fehlt die Phantasie
Das Aufklärungsgeschäft wie Bienchen zu verrichten –
Es wiegt der Jugendtraum Bildschirmpornographie
Sein eigenes unabwägbares Leichtgewicht.


vii.

Ich wachte auf, beflaggt, behisst, mit vollem Mast
Und dachte endlich mal was Rechtes und was Klares.
Solang ein stolz geschwelltes Körperschiff der Star ist
Ist alles drin, sogar die Fahrt auf Abenteuer.

Das Volk schwang Hüte, Mützen, Kappen ungeheuer
Und ich lief aus, am Steuer meiner Stella Maris
Das Ziel: Die Neue Welt. Mindestens. Oder fast.


viii.

Darwin hat es von stark und schwach und alles scheint
Gesagt, doch denke an die altersschwächsten Sterne
Die oben flimmern, und – obschon kaum sichtbar – sind
Womöglich tausendfache Sonnen und nur ferne.

Und zittern sie wie Espenlaub im dunklen Wind
Gibt es sogar im Diesseits einen Himmel, Kind
Der Schwach- und Starksein ungerührten Sinns verneint.


ix.

Früh übernimmt sich, was ein Pärchen werden will –
Ein Spruch so hingesagt, und Unsinn sowieso;
Kochen und heizen sich, sind aneinander froh
Und gehn danach auf das gemeinschaftliche Klo

Und ziehn vielleicht noch nicht einmal getrennt die Spülung
Und stehen trotzdem mit dem fremden Tod in Fühlung
Und stehen, sich umkreisend, still und doch nicht still.


x.

Gehört Bewegungsdrang zur Sphäre der Physik
Ist Fortschritt ein Gebiet jenseits der Wissenschaften:
Reine Kinetik oder doch Streben nach Glück?
Kommt darauf an, Rollen und Drehen ist auch Haften.

Wer weiß schon, ob er vordringt oder bloß umrundet
Und wer, wann ihm die Zeit gehört, die ihm gestundet?
Nur eines bleibt versichert: Es gibt kein Zurück!


1. März 2019