samedi 25 août 2018

Weisheit und Stimmen der Völker

[Noch einmal zu Chruschtschows Badehose.
Eine der wenigen nachhaltigen Lektüren zu Zeiten, als ich noch literarisch beeinflussbar war, stellt sicherlich ein Barral-Taschenbuch von 1972 dar,
Poesías para los que no leen poesías. Ich gehörte nicht zu denen, die keine Gedichte lesen, doch der Titel war zugkräftig genug, um mich die Neuerscheinung erstehen zu lassen. Es handelte sich um eine zweisprachige Ausgabe von frühen Gedichen Enzensbergers, Verteidigung der Wölfe, Landessprache usw., spanisch von Heberto Padilla. Mich interessierte, wie solche Gedichte nach ihrem Export ins linguistische Ausland aussehen mochten. Nun ja, sie sahen weiterhin so aus, wie sie von vornherein aussahen. Weiterhin wie die typische deutschsprachige Lyrik dieser Jahre. Weil ich darin keinen Vorteil erkennen konnte, war die Sache für mich erledigt. Die Möglichkeit, die ich damals schon für mich selbst sah – nämlich irgendwann einmal Gedichte in mehreren Sprachen zu verfassen, die jeweils nicht nach einer gewissen anderen Sprache rochen und dennoch Grenzen überschritten – war damit allerdings noch nicht vom Tisch. Dieses vielleicht durchaus gelungene Enzensberger-Padilla-Gesamtkunstwerk stellte für mich nur ein abschreckendes Beispiel dar. Weil Enzensberger – da konnte er noch so viel herumgekommen sein – auch via Padilla aufs nichts als auf Enzensberger hinwies, wurden solche Erzeugnisse für mich wertlos. Reine Heimatliteratur, aus lokalen Klischees fabriziert, Produkte gewöhnlichster Impermeabilität – das wurde im Spanischen unübersehbar. Was den Dichter Padilla anging, von dessen Tun und Schicksal ich damals nichts wusste: der war nun halt einmal ein Hispanoamerikaner, und deren kollektive Beschränktheit auf sich selbst störte mich dunkel schon mit fünfzehn. Ich sah fortan nur noch den Weg in radikale, glorreiche Vergangenheit.]

Wie die lebensklugen „Engländer“
Die aus unerfindlichen Gründen
Die Mucken einer Firma von geborenen Nichtsnutzen finanzieren
Und es ertragen, meist von Leuten regiert zu werden
Die mit jeder Silbe ihre Verachtung für das gemeine Volk
______________________________________ausdrücken
So hat jedes sein nicht nachvollziehbares Geheimnis, es ist
___________________________________bemerkenswert.
Kaum aneinander angeschlossen, haben die „Deutschen“ sich
_________________________________________erlaubt
Was kein Schwein sich je herausnahm, haben mehr oder minder
______________________________________bereut, doch
Wollen nach wie vor den Rest der Welt roten Kopfes belehren und
________________________________________bekehren.
Und was sonst noch, bitteschön? Was aus der Geschichte gelernt?
Die verklemmten „Schweden“ möchten ja auch Vorbild sein
Aber übertreiben es, sobald sie sich im lustigen Süden tummeln.
Die „Franzosen“ laufen atemberaubenden Idealen nach, die zu
________________________________________erreichen
Sie nichts, wirklich rein gar nichts unternehmen – zum Glück zu
____________________________________________faul
Zu nahe bei der sorella latina, es wäre nachgerade tragisch
Oder zumindest sehr ärgerlich, wenn es nicht so entspannend
___________________________________________wäre.
Die „Spanier“ sind und bleiben praktisch Spanier, so unpraktisch
________________________________________es auch ist
Und damit ist schon fast alles über sie gesagt. Und von den
Unabwaschbaren Flecken auf der weißen Weste der größten Nation
________________________________________unter Gott
Fängt man am besten gleich gar nicht an. Amis eben.
Und jedes dieser Völker bringt darüber hinaus, wie Herder zuerst
Bemerkte, seine Dichter hervor. Als ob das noch nötig wäre.
Würden sich die Menschen halbwegs zuhören, wäre schon viel
________________________________________gewonnen
Doch davon sind wir weit entfernt.
Nicht einmal die sich übersetzenden Dichter hören ja einander zu.
Übersetzen sich, doch hören offenbar nicht zu, sitzen
Dafür beieinander wie laute Touristen im Lokal, benebelt
Abgrundtief in ihrem jeweiligen Volk verwurzelt
Und hätten sich doch so viel zu erzählen, so viel dummes Zeug
Und tun es auch.
Am Ende hat der alte Johann Gottfried auch das schon
___________________________________herausgefunden.


[Tels ces « Anglais » pragmatiques
Qui par des raisons incompréhensibles
Financent les caprices d’une firme de branleurs nés
Et supportent être gouvernés la plupart du temps par des types
Qui avec chaque syllabe expriment leur dégoût des gens du commun
Chaque peuple, c’est frappant, a son secret impénétrable.
À peine unis, les « Allemands » se sont permis ce que pas un porc
Ne s’était permis auparavant, ont fait amende plus ou moins honorable
Puis, la tête toute rouge, continuent à vouloir sermonner le reste du monde.
Et quoi encore ? Quels enseignement tirés de l’histoire ?
M’enfin, les « Suédois » coincés, eux aussi veulent servir de modèle
Puis exagèrent une fois arrivés en troupeau dans le Sud lumineux.
Les « Français » courent après des idéaux à perdre haleine et ne font rien
Strictement rien, pour les atteindre – par chance bien trop paresseux
Trop proches de la sœur latine, ce serait franchement tragique
Ou pour le moins très énervant si ce n’était pas tellement reposant.
Les « Espagnols » sont et restent pratiquement Espagnols, aussi peu pratique
Que cela puisse être, et à peu près tout est dit sur eux. Et ne commençons
Même pas à parler des tâches indélébiles sur les mains blanches comme
Neige de la plus grande nation sous Dieu. Des Amerloques, quoi.
Et tous ces peuples engendrent, en plus, leurs poètes, un dénommé Herder
S’en est rendu compte en premier. Comme si cette chose était nécessaire.
Si le monde s’écoutait un peu, on serait déjà pas mal avancé
Mais nous sommes loin du compte.
Même les poètes qui se traduisent ne s’écoutent l’un l’autre.
Ils se traduisent mais manifestement ne s’écoutent pas
Assis ensemble comme des touristes bruyants, en goguette
Terriblement enracinés dans leurs peuples respectifs
Et pourtant, ils auraient tant de choses à se dire, tant de conneries
Et ils le font.
Si cela se trouve, même ça, ce vieux Herder l’a déjà remarqué.]


24 Août 2018

Aucun commentaire: