1. Dichtung
Ich kenne einen, der noch als Erwachsener, anstatt das Fehlerhafte durchzustreichen, es wie in der Grundschule einklammert. Diese Kindlichkeit nimmt mich nicht nur sehr für ihnen ein, sondern er kommt dadurch auch der Wahrheit näher, bei der es nur ein Einklammern, aber kein Durchstreichen gibt.
Wenn ich andrer Märchen lese
Glaube ich sie unumwunden
Nicht jedoch, was ich mit eignem
Stift hab in die Welt gebracht.
Wär selbst, was dort steht, gewesen
Und, was ich erdacht, erfunden
Können doch nur Blinde leugnen
Dass die Wahrheit Fehler macht.
Früheres ist nach seinem Wesen
Beides: falsch und echt; entschwunden
Kann nichts mehr, was war, bezeugen
Und auch nichts, was ausgedacht.
Wirklichkeiten, Fabelwesen
Beichtmomente, Märchenstunden
Redenschwingen, Zweifelschweigen
Sind gemacht aus Tag und Nacht.
1. Wahrheit
Wer weiß schon, was sein muss im Leben
Was man kennen muss, und was nicht?
Man weiß nur, dass es vieles nicht geben
Sollte, und es gibt es in Massen.
Sollst du in kleinen Dosen erfahren
Wie geimpft, was das Leben verspricht
Oder dir deine Unschuld bewahren
Und auf Traumwandelei dich verlassen?
Es gibt unter den Lügen die wahren.
Wer es lernte, darf gerne auch schweben
Und der, dem das Schweben nicht liegt
Gern das Schlimmste ins Auge fassen.
20. August 2023
Ich habe noch die Märchenbücher der vorherigen Generationen geerbt, die nicht nur aus grusligen Zeiten stammten, sondern namentlich das Gruseln lehrten. Kein Wunder, dass den Kindern, die man sicherlich abhärten musste fürs Leben, in jenen Zeiten Gruselgeschichten vorgelesen wurden, und derart gruselig illustrierte. Märchen sind keine Märchen, sondern Spiegel ihrer Epoche. Ich habe diese Bücher meinem Kind erspart und ihm dafür die viel heitereren der jüngeren Gegenwart gekauft. Man kann auch heiterer das Gruseln lehren, dachte ich, falls ein Kind das denn unbedingt lernen möchte. Im Gedächtnis geblieben sind mir aber die grusligen grusligen; meinem Kind, glaube ich, ist weniger im Gedächtnis geblieben von den heitereren grusligen. Dabei wuchsen wir beide in glücklicheren Tagen auf, aber ich eben sozusagen mit einem Gedächtnis, das sich, früh geübt im Erschrecken, die wahre Geschichte noch bildlich vorstellen kann.
Wer weiß schon, was sein muss im Leben
Was man kennen muss, und was nicht?
Man weiß nur, dass es vieles nicht geben
Sollte, und es gibt es in Massen.
Sollst du in kleinen Dosen erfahren
Wie geimpft, was das Leben verspricht
Oder dir deine Unschuld bewahren
Und auf Traumwandelei dich verlassen?
Es gibt unter den Lügen die wahren.
Wer es lernte, darf gerne auch schweben
Und der, dem das Schweben nicht liegt
Gern das Schlimmste ins Auge fassen.
20. August 2023
[Bechstein, Schönste Märchen, Ill. Hans Nolpa.
Von Kindeshand numerierte Ausgabe: Buch N° 15 meiner Mama]
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